Freitag, 4. Mai 2012

Endlich frei?

Weil einige Leute im Depessionsforum so von diesem Buch "Endlich frei" von Josef Giger-Bütler schwärmten und als überaus hilfreich empfinden habe ich es mir bestellt und angefangen zu lesen. Glücklicher Weise erlaubt es mir mein depressiver Zustand seit längerer Zeit wieder auch dickere  Bücher zu lesen, was ich lange Zeit als sehr beschwerlich und belastend empfand.

Meine Depression ändert ihre Symptome von Zeit zu Zeit und scheint manchmal in etwas Anderes zu mutieren. So spielen z.B. seit ca. 2 Jahren Ängste und Panikattacken manchmal eine größere Rolle als diese bodenlose Traurigkeit, Schwermut, Hoffnunglosigkeit und Kraftlosigkeit.
Ich kann wieder lesen - Gott sei Dank! Dafür fällt mir das Schreiben als Blogger schwer. Und ein neues Buch zu schreiben anfangen? Derzeit unmöglich.

Schon allein der reisserische Titel machte mich skeptisch. Endlich frei von Depressionen? Und etwa endgültig? Das kam mir zuerst vor wie ein Hohn.
Es erscheint mir sehr stark aufgetragen - aber er hat sich als Psychotherapeut ja eingehend mit der Krankheit auseinander gesetzt. Da müsste er eigentlich ein paar hilfreiche Gedanken und Erkenntnisse über das Thema haben. Kennt er tatsächlich Menschen, die durch seine Therapie komplett von Depressionen geheilt wurden?
Irgendwie greift man als Kranker ja doch oft nach dem letzten Strohhalm, der einem Heilung oder zumindest Besserung verspricht. Und was wäre, wenn es tatsächlich eine Endgültige Heilung und Befreiung von Depressionen gäbe? Unmöglich?

Andererseits habe ich ja so einige therapeutische Versuche hinter mir, von Medikamenten bis zu einer Psychotherapie - von den vielen Gebeten zu Gott um Hilfe mal ganz abgesehen. Einen neuen Versuch wagen der wieder letztlich erfolglos bleibt? Eine neue Enttäuschung riskieren, sich neue Hoffnungen auf Besserung oder gar Heilung machen, die einen dann wieder nur noch hoffnungsloser zurücklassen? 

Mir erscheint es seit Jahren sehr fragwürdig bis unglaubwürdig wenn in medizinischen Internetportalen oder von psychiatrischen Experten geäußert wird: Depressionen lassen sich heutzutage sehr gut behandeln! Oder: Niemand muß auf Dauer depressiv bleiben.
Behandeln und Symptome abmildern geht nach meiner Erfahrung schon - aber eine komplette Befreiung? Ich bin nach wie vor skeptisch, werde aber weiter lesen, was Herr Giger-Bütler so alles zu sagen hat.

Er scheint mir nach Lektüre der ersten Seiten einen ziemlichen Absolutheitsanspruch zu haben und kritisiert einige Kollegen sehr deutlich. Einige seiner Erkenntnisse kann ich von persönlicher Erfahrung her bestätigen: z.B. das Kraftlosigkeit und Erschöpfung die zentrale Bedeutung bei Depressionen haben. Andere Erkenntnisse scheinen mir sehr befremdlich, z.B. wenn er sagt daß Depressive nicht reden und lieber in Ruhe gelassen würden. Ich rede und kommuniziere sehr gern und würde auch gern über meine Depressionen mit Partner oder Freunden reden. Die hören ja auch manchmal höflich zu, lassen aber auch oft erkennen, daß sie sich mit dieser Krankheit lieber nicht zu eingehend beschäftigen wollen. Nur selbst Betroffene signalisieren echtes Interesse.
 So vermeide ich das Thema meistens und meine Frau ist schon genug davon betroffen und belastet - sie muß ja meine machmal schlimmen Zustände am dichtesten ertragen und mittragen.
Man fühlt sich zuweilen schon sehr allein gelassen. Auch von Gott, der aus der Ferne zusieht.  
Was treibt einen Psychotherapeuten wie Giger-Bütler dazu solche Bücher zu schreiben? Die Bücher sind offenbar Bestseller und er verdient gutes Geld damit. Wählt er solch einen Titel wie "endlich frei" um Hoffnungen bei Betroffenen zu wecken und das Buch besser zu verkaufen? Oder hat er tatsächlich ein Geheimrezept entdeckt? Ist er eine Art psychotherapeutischer Guru, dem es nur um Aufmerksamkeit geht oder hat er etwas Substantielles zu sagen? Ich bin mal gespannt wie das Buch weitergeht. Seine steile Aussage: Es ist jederzeit möglich aus einer Depression auszusteigen, erscheint mir einerseits fragwürdig, andererseits schürt es Hoffnung.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die konstruktiv geübte Kritik gefällt mir und erscheint berechtigt. Trotzdem ich das o. g. Buch selber nicht gelesen habe, vermag ich mich da etwas hinzudenken... . Nun, auch vor dem Hintergrund deiner eigenen, beinahe schonungslos dargestellten Lebensgeschichte, die ich mit Interesse zur Kenntnis nehme, erscheint mir die Infragestellung durchaus sinnvoll und recht einleuchtend.
PS: Wer dir antwortet? @ 'LutzWolfgang...'

Unknown hat gesagt…

beim lesen dachte ich sofort an das buch von allen carr "endlich nichtraucher" damit hat er viel verdient, aber es hat auch bei vielen was gebracht. ich habs auch gelesen und rauch seit dem nicht mehr.

das mit dem buch was du hier vorgestellt hast ralf, da bin ich mal gespannt wies weiter geht und wie das aufgebaut ist, ob er das abgeguckt hat bei allen carr ;-)