Könnte mich bitte mal jemand in den Arsch treten, wenn ich wieder versuchen sollte meine Anti-Depri-Medikamente auszuschleichen um sie ganz abzusetzen?
Im März dieses Jahres war ja alles anders als sonst, wie in meinem letzten Post beschrieben hatte - vor dem Absturz. Die Winterdepression war komplett ausgefallen, ich war schon seit über einem halben Jahr mit Fitnesstraining dabei und fühlte mich gut. Der Vitamin B Mangel, über den ich recherchiert hatte war ausgeglichen worden. Er soll eine nicht unerhebliche Rolle bei Depressionen spielen.
Ich konnte sogar wieder Gitarre spielen. Öffentlich in Gottesdiensten mit mehreren hundert Besuchern. Und es machte mir wieder Spaß. Ich hatte tatsächlich die Freude an der Lobpreismusik wiedergefunden. Das erste Mal seit 10 Jahren wieder auf der Bühne. Mit aufsteigender Tendenz. Daran hatte ich schon nicht mehr geglaubt - ja nicht mehr zu glauben gewagt! Wieder mehr im Dienst für den Herrn unterwegs.
Ich ging zu meinem Psycho-Doc, erzählte ihm wie gut es mir ging und wir kamen auf die Idee, meine Medikamentendosis zu reduzieren. Natürlich ausschleichend, wenn überhaupt. Er ließ mir da freie Hand, denn ich kenne mich ja ganz gut mit meiner Krankheit aus.
Wohlgemut halbierte ich meine Dosis und war weiterhin aktiv in der "unglaublichen Kirche".
Für meine Internetaktivitäten hatte ich kaum noch Zeit und Lust - Gottesdienste mussten vorbereitet werden, neue Lieder mussten geübt werden und ich verabschiedete mich ein wenig aus der virtuellen Welt um am "richtigen Leben" teilzunehmen. Ich verstehe mich sehr gut mit den anderen Musikern dort und wir hatten viel Spaß miteinander. Selbst das gemeinsame Üben für die Gottesdienst war einfach wunderschön und oft fühlte ich mich frisch und neu mit dem heiligen Geist erfüllt.
Ich überwand die Ängste vor der Bühne und dem öffentlichen Blamieren, falls etwas schief ging. Natürlich ging auch mal etwas daneben - wir rutschten in eine falsche Tonart und ich konnte gar nicht mehr mitspielen. Niemand schien etwas davon zu bemerken.
Ich wollte nicht allein die Band unterstützen sondern stiftete auch neue Mitstreiter an und eines Tages war ich so weit einen Mittwochabend musikmässig allein zu verantworten.
Die ganze Woche malte ich mir aus, was alles bei dieser Premiere schief gehen könnte, da eine neue Keyboarderin dabei war, die den Ablauf noch nicht kannte. Der Tag verlief sehr anstrengend: Koordination mit dem Beamerteam, üben der Lieder, aufbauen der Anlage, Lieder kopieren und ausdrucken - ich war gestresst und froh als alles vorbei war.
Danach klappte ich innerlich zusammen und musste mich erst einmal eine ganze Woche erholen. Ich hatte meine seelischen Kräfte überschätzt und die Krankheit Depression unterschätzt. Die Termine für die Kirche wuchsen mir über den Kopf und ich machte erst einmal eine Pause. Es war sehr schön gewesen den Geschwistern und Gottesdienstbesuchern eine Freude zu machen und viel Zuspruch und Bestätigung fürs Gitarrespielen und singen zu bekommen. Aber ich lud mir eine regelmäßige Verantwortung auf, die mir zuviel war. Und ich kollabierte seelisch wie ein Luftballon, welcher abgelassen wird.
Natürlich möchte ich nach Jahren der Inaktivität wieder etwas "schaffen" können. Ich erwartete sogar eventuell noch in diesem Jahr 2010 wieder arbeitsfähig zu werden und zumindest einen kleinen Nebenjob zu suchen. Doch ich stürzte tief und tiefer ab.
In der großen Hitzeperiode, die ich schon Kreislauftechnisch sehr schlecht vertrug erlebte ich furchtbare Seelenzustände und Panikattacken, welche ich so zuvor höchstens mal früher auf halluzinogenen Drogen erlebt hatte. Einmal musste ich deshalb die Notaufnahme aufsuchen und hätte mich am liebsten in die Psychiatrie einweisen lassen. Im Grunde hielt mich nur die große Hitze davor ab - weil ich mir eine Krankenhausstation noch gruseliger vorstellte als meine Wohnung. Denn da konnte ich wenigstens ständig kalt duschen und hatte in jedem Raum einen Ventilator.
Schlimm waren auch die Stimmungsschwankungen. An einem Tag dachte ich: Jetzt geht es wieder aufwärts, weil ich mich ganz gut fühlte und am nächsten Tag schaffte ich überhaupt nichts mehr - selbst nicht meine Lieblingsbeschäftigung, das Kochen.
Nur noch sporadisch duschen und Zähneputzen, nur selten zum Fitnesstraining - zu allem fehlte mir die Kraft.
Schon lange nahm ich wieder meine normale Dosis des Anti-Depri Medikaments, aber es wollte einfach nicht mehr anschlagen und wirken. Tiefer und tiefer ging die Fahrt in die Depressionsspirale. Zum Gottesdienst ging ich nicht mehr, sogar Hauskreise sagte ich manchmal ab. Manchmal hatte ich Angst ans Telefon zu gehen und Angst meinen Freunden alles mühsam erklären zu müssen. Wer keine Depression am eigenen Leib erlebt hat kann einfach nicht nachvollziehen wie elend man sich fühlen kann. Es ist weit schlimmer als Liebeskummer, oder die Trauer über einen lieben Menschen den man verliert. Die ganze Welt ist grau und hoffnungslos. Ich konnte weder glauben noch beten. Zum Sport ging ich irgendwann gar nicht mehr. Als ob meine Seele in Dauerstreik gegangen wäre. Ein Absturz in die Hölle, so unerwartet und schnell. Und es dauert so lange sich aus diesem tiefen Loch wieder hochzuarbeiten ans Licht - man rutscht immer wieder ab und fällt zurück in den dreckigen Sumpf der Trostlosigkeit.
Jedes mal wenn ich so etwas erlebe schwöre ich mir: Nie wieder versuchst Du Deine Pillen abzusetzen, aber immer wieder falle ich wieder auf den Gedanken rein: Jetzt bist Du doch völlig stabil, vielleicht klappt es ja auch ohne Pillen. PUSTEKUCHEN!
4 Kommentare:
danke ralf für deinen beitrag, ich finde mich darin zu 80 5 wieder. auch ich hab in den letzten monaten wieder den sport vernachlässigt und geh schon einige wochen gar nicht mehr hin. hab meine mitgliedschaft zu ende des jahres sogar gekündigt. ich fühl mich kraft und antriebslos. wußte aber nie dass so was ne depression ist. habe mal eine tagesklinik gemacht. mit struktur und menschen um mich rum, das kam ganz gut. hat mir echt gut getan, aber da hatte ich gar keine medikamente mehr genommen und wollte auch keine. die ärzte wollten aber dass ich was nehme, mir ging es zwar gut aber ich fühlte mich so mechanisch gesteuert. hab halt das gemacht was ich machen muss, aber bloss nicht mehr. als die tagesklinik vorbei war mit den malgruppen u.s.w. hab ich wieder nichts gemacht. dann auf einaml kam tatendrang in mich und ich dachte: jetzt muss ich durchstarten, so kann es nicht weiter gehn. vor allem weil ich immer gern ne überwinderin wäre, aber irgenwie voll die luserin bin. hab mich dannim sport und wellness studio angemeldet, und bin da sogar ne zeit lang heden 2. tag hingegegangen. es fiehl mir die letzten wochen aber immer schwerer und ich musste mich regelrecht zwingen dazu, damit hab ich mich auch überfordert gefühlt. hmmm so jetzt mach ich wieder gar nichts und werd immer dicker vom essen. will immer diät machen, aber das klappt auch nicht so richtig.
jetzt ist auch noch meine katze zahnkrank, wenn die mal stirbt dann bin ich echt ganz am ende. nun ja oich habe für sie gebetet und vertrau auf jesus, dass er mir zeigt was ich tun soll oder hingehn soll mit ihr zu welchem arzt.
erst dachte ich bei dir: toll jetzt gehts ihm richtig gut, ist in seiner gemeinde macht musik, ist voll aktiv im leben dabei. hast ja zwischendurch immer mal was kurzes geschrieben, bei facebook, dass es dir gut geht.
als ich dich wieder mehr schreiben gesehn habe, hab ich mir das schon gedacht, dass es dir wieder schlechter geht.
nun kam mir aber gerade ein gedankenblitz, vielleicht sind wir, die überwinder in wirklichkeit. wir sehn uns ja voll als die im sumpf liegenden und immer wieder hochrappelnden schwächlinge. aber wir geben doch nie ganz auf und es geht immer wieder weiter.
vielleicht hat jesus dich wieder aus der gemeinde raus geholt, weil du in eine richtung abgetriftet wärst die er nicht für dich vorgesehn hat.
alles dient uns zu unserem besten, weiss bescheid *zwinker*
alles liebe und gute und wir beten füreinander, danke
lg Liane
vielleicht will jesus uns hier gebrauchen beim schreiben. du schreibst immer gute sachen voll gute geistgewirkte beiträge. ich selbst schreib mir auch alles von der seele, solche braucht jesus die echt sind. so dass echtheit ansteckt und andere mitreisst. die christlichen masken fallen lassen. dann sind wir für den heiligen geist ein gutes werkzeug. wenn es so wäre das wär doch echt toll ;-)
du bist im dienst für den herrn unterwegs, hier im netz. du schreibst so viel was andere ermutigt und ihnen zeigt, dass nicht alle christen gut drauf sein müssen, sondern dass echtheit gefragt ist beim christsein.
Danke liebe Liane für Deine viele Ermutigung.
Und jawohl: Wir geben einfach nicht auf wenn wir mal wieder am Boden liegen. Ich glaube Du hast recht damit, daß es nicht darauf ankommt, jeden Kampf zu gewinnen, um ein sogenannter "Überwinder" zu sein. Sondern daß man sich immer wieder irgendwie aufrappelt. Hey wir sind die wahren Champions! :-) *Sei gedrückt*
Ralle
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