Dienstag, 22. November 2022

Der Versuch


...Also reduzierte ich nach der Vorgabe meines Arztes das Doxepin auf 25mg und stieg trotz Ängsten und Bedenken mit 10mg Paroxetin ein.
Das merkwürdige Körpergefühl beim Einstieg in den Serotonin- Wiederaufnahmehemmer kannte ich irgendwie noch genau, obwohl mein letzter Versuch damit schon viele Jahre her war. Es machte mir keine Sorgen, eher beruhigte es mich weil ich es schon kannte.

Nach kurzer Zeit bemerkte ich, daß ich irgendwie wacher, fitter und frischer im Kopf wurde und ich begann Hoffnung zu schöpfen.
Am vierten Tag hielten sich die Nebenwirkungen in Grenzen und ich dachte schon, dass ich das Gröbste überwunden hätte.
Die paar Angstattacken über die Tage waren für mich gut zu handlen, das war ja sowieso wie mein tägliches Brot.

Der fünfte Tag wurde ein einziger Horrortrip! Unerträgliche Angstwellen von morgens bis Abends mit zunehmenden Hitzewallungen durch den Körper, hauptsächlich im Brustbereich.
Nachmittags rief ich beim Psychiater an, weil ich es nicht mehr aushielt und total verzweifelt war. Ich bekam einen Termin am nächsten Morgen. 

Gottseidank half mir meine Frau mit Reden die Zeit zu überstehen. Abends nahm ich wieder 50mg Doxepin ein um irgendwie runter zu kommen und Ruhe zu finden.
Nach ca. 2 Stunden besserte sich die Panik und ich konnte tatsächlich Schlaf finden.

Wer einmal LSD oder andere Halluzinogene genommen hat und dabei auf den Horrortrip gekommen ist kann sich vielleicht die Panikzustände vorstellen die ich an diesem Tag erlitt. Ein Gefühl von zeitloser Ausweglosigkeit und Verlorenheit. 

Am nächsten Morgen nahm ich das Paroxetin nicht mehr ein und ging zum Arzt.
Der stellte sich zuerst erstaunt und fragte: "und Sie sind der Meinung, daß diese massiven Ängste vom SSRI her kommen?"
(Im Beipackzettel wird allerdings erwähnt dass solche Reaktionen als Nebenwirkungen vorkommen können)
Sehr schnell gab er allerdings zu, daß solche Angstreaktionen durchaus bekannt seien und sogar einen langen englischen wissenschaftlichen Namen hätten: Irgendwas mit SSRI anxiety syndrome.
Das ließ sich von Google allerdings nicht auffinden, ebenso wie überhaupt Berichte über Angstsymptome bei Therapiebeginn mit SSRI-Antidepressiva sehr spärlich gesät sind!

Ich verstehe schon dass es kontraproduktiv sein kann Angstpatienten zuviel über diese Art Nebenwirkungen zu erzählen, weil sie sich dann möglicherweise erst gar nicht auf die Medikation einlassen.
Allerdings finde ich es auch merkwürdig, Patienten nicht darüber aufzuklären und sie ins offene Messer laufen zu lassen.

Meine Frau meinte jedenfalls: "Jetzt verstehe ich warum es eine Zunahme von Suiziden in der Eingewöhnungsphase von aktivierenden Antidepressiva der SSRI-Klasse gibt!"
Aus diesem Grund sollte ja auch der Beginn der Einnahme ärztlich engmaschig überwacht werden. 

So blieb ich jedenfalls erstmal bei meinem alten Doxepin, was der Psychiater auch vorgeschlagen hatte damit erst mal "Ruhe reinkommt "
Die Ängste reduzierten sich schon am selben Tag und bald hatte sich wieder eine relative Normalität eingestellt. Ich blieb erst einmal bei 50mg Doxepin, der niedrigsten empfohlenen Dosis.

Dann hatte ich eine Idee:
Was wäre wenn die zuerst empfundene Wachheit und Antriebssteigerung unter Paroxetin gar nicht vom SSRI gekommen wäre, sondern einfach dadurch, dass ich das sedierende und dämpfende Doxepin auf die homöopathische Dosis von 25mg reduziert hatte?
Das wollte ich sofort ausprobieren und reduzierte die Dosis erneut auf 25mg am Abend.
Schlafen konnte ich damit schon mal ganz gut.
Und am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gehabt mit mehr Antrieb und frischer im Kopf! 

Meine altbekannten Ängste ließen sich relativ gut bewältigen, aber die Depressionen wurden rasch besser.
Ich hatte das Gefühl wieder ich selbst zu sein. Ich erlebte das erste Mal seit Jahren einen inneren Frieden und die Abwesenheit von Sorgen und eine lange vermisste Fröhlichkeit!

Es gab und gibt aber auch relativ starke Absetzerscheinungen, wie das in medizinischen Publikationen beschrieben wird - ich würde es eher "Entzugssymptome" nennen! 
Die können wohl von 1-2 Wochen bis zu mehreren Monaten andauern, bis sich der Körper wieder an den Normalzustand gewöhnt hat.

Da will ich jetzt durch und nur im äußersten Notfall wieder mehr von dem Medikament nehmen. 
Mit dem mittelfristigen Ziel noch weiter zu reduzieren und vielleicht irgendwann wieder auf Null zu kommen.

Ich möchte meine Familie und Freunde nicht mit einer Demenz belasten. Und dieses Gefühl wieder ich selbst zu sein möchte ich nicht mehr missen.

Mehr zum Absetzsydrom findet ihr >>>Hier.
Und >>> Hier 

Und HIER geht die Geschichte weiter.. 😄

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